Der Flug (1)

Ich bin eine Möwe die in ihrem Flug erwacht. Ich sehe Wasser, ein riesiger Teppich aus Wasser. Meine Augen erhaschen einen Körper treibend auf der Wasseroberfläche. Er ist weit weg, aber nah genug, dass mir klar wird, dass dies mein eigener menschlicher Körper ist, der einsam herumtreibt.

Träume ich?

Der Körper treibt mit dem Gesicht nach unten, ein trauriger Umstand, da er so leblos wirkt. Ich fühle mich als Möwe wohl, kann das denn so bleiben, oder muss ich hinunter zu meinem Körper und spüren was er spürt? Welche Tragik wird mich erwarten?

Ich habe keine Wahl, es zieht mich hinein, hinunter zu meinem Bestimmungsort. Ich erwache zum zweiten Mal. Dieses Mal ist mir kalt, das Wasser umspült meine Haut, ich bekomme Stress. Ich möchte meine Augen geschlossen halten, den Abgrund nicht erblicken, die Dunkelheit des Meeres als mysteriös belassen.

Ich spüre Druck auf meinem Gesicht, was erahnen lässt, dass ich auf meinem Bauch treibe. Ein Nicht-Atmen-Reflex stellt sich automatisch ein. Ich öffne widerwillig die Augen und sehe tiefblaues Wasser. Mein beklemmendes Gefühl wird nicht schwächer, Panik kommt auf. Ich möchte mich umdrehen, atmen, den vertrauten Himmel erblicken. Der Drang steigt mit meinem Sauerstoffmangel.

Eine leise Stimme in meinem Herzen flüstert was anderes. Sie haucht: „Lass los, lass endlich los.“ Es schmerzt mich, weil ich spüre, dass mich diese Worte tief treffen. Es sind wahre Worte, es sind die einzigen die ich brauche.

Ich reiße meine Augen auf, und erblicke Licht in der Ferne. Es ist sanft und zart, als würde es bald schon wieder vergehen. Ich reiße meinen Mund auf und schreie: „Warte!“

Ein tödlicher Reflex lässt mich einatmen, Wasser erfüllt meinen Rachen, meine Lungen. Ich habe alles gegeben, was ich hatte, bis hin zu meinen Atem.

Ich merke, dass ich noch immer lebe. Mein Körper erholt sich aus der Verkrampfung. Er wird wieder weich und aktiv, wie von selbst beginnt er zu strampeln. Vom Licht angezogen, wie eine Motte, bewegt er sich Richtung erhoffter Erlösung.

Ein Gedanke zu „Der Flug (1)

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