Ein Beginn

Wahrscheinlich ein Beginn der schon wieder schnell zum Ende führt, weil mein Gefühl mir das so vermittelt. Warum das so ist, weiß ich nicht genau. Es ist ein immerwährender Kampf in mir. Kann ich durch mein Bemühen, das erreichen was ich will, oder ist das Bemühen gerade aus seiner Natur dazu verdammt eben nicht zu funktionieren, kein Ziel erreichen zu können, da die Dynamik eine „falsche“ ist. Müsste man eher alles auf einen zukommen lassen und den Tag so nehmen wie er ist. Ist mein Wunsch das Gift der Erfüllung?

Und dann regt sich wieder der Groll in mir. Wie kann es sein, dass ich Nichts aus meiner eigenen Kraft verändern kann? Wieso kann ich nicht Herr meines Schicksals sein, der Autor meines Lebens? Ich möchte ein selbstbestimmtes Leben, ich möchte ein Tier sein auf der Jagd, auf der Jagd nach meinen größten, befreienden Wünschen. Mich auf die Lauer legen und durchstarten, wenn das Ersehnte bei mir vorbei huscht. Ich möchte es packen und erlegen, es ausweiden und mich in dem Blut baden, wie eine glückliche Ente im frischen klaren Wasser. Ich dürste und weiß nicht, wie ich diesen Durst stillen könnte.

Es macht sich eine Frustration in mir breit, ein Unwohlsein, eine Unruhe, die sich zu Aggression ausweitet. Sie wächst wie eine Seifenblase, sie schillert und ist gnadenlos in ihrem raumeinfordernden Verhalten, die Oberflächenspannung nimmt mit der Größe zu und plötzlich, voraussehbar platzt sie. Es hinterlässt eine Traurigkeit über diese Vergänglichkeit und sie bleibt, wenn keine erneute Seifenblase die Faszination wieder in Beschlag nimmt. Diesmal kommt aber keine nach. Es bleibt Stille. Es bleibt Leere.

Diese Leere macht müde, eine bleischwere Kraft übergibt meinen Körper, erfüllt ihn.

Soll ich dankbar sein, für dieses Ereignis, ist es ein Geschenk, wie alles andere auch? Darf ich mich in der Leere suhlen, ist dies mein Bad? Ist dies mein Schicksal? Es fühlt sich nicht so an. Und doch weist mir mein Kopf einen anderen Weg, er flüstert unterschiedliche Dinge, wie ein Souffleur im Theater wird er seinen Job mit bestem Gewissen machen. Er wird sich bemühen mir alle Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, die ihm bereitliegen. Er ist ein treuer Gefährte, der sich schnell zum Stalker verwandeln kann. Wie aufdringlich und unverschämt er nur sein kann, sieht man an meinem zermürbten Körper. Er lässt sich hängen, wird träge, er fühlt sich geschlagen. Kann er doch nichts gegen diese Übermacht anstellen, „ausgeliefert“ fühlt er sich. Ausgeliefert in dieser Welt, die ihm immer fremder vorkommt. Es ist ein Produkt eines Lernprozesses, erlernte Hilflosigkeit fällt mir da ein. Wird ein Organismus im wiederholten Fall stark frustriert erlernt er ein lebensfeindliches Weltbild: Egal was ich mache, es wird nicht funktionieren. Bei jeder neuen Situation, wird dieser Mechanismus aktiviert und lässt nur eine Handlungsmöglichkeit zu, bei einer Tatsache die mehr als zwei Möglichkeiten lässt (z.B. handeln oder nicht-handeln). Und diese eine heisst Nicht-Handeln, da der Organismus sich keine Chance ausrechnet, dass es was bringen könnte, wenn man handelt.

Mir ist dieser Ablauf bekannt und ich will ihn nicht als gegeben hinnehmen. Auch wenn mir der Kopf, der Körper, die Welt was anderes sagt. Ich bleibe stur.

Vielleicht ist es gerade diese Sturheit, die mich aus einer erlernten Hilflosigkeit herausmanövrieren könnte. Es ist der Atem, der die Seifenblase wachsen lässt. Der Lebensatem, so könnte man ihn nennen. Leben will leben. Leben will aktiv sein. Leben will nicht gelebt werden. Leben will nicht passiv sein.

Und doch erfordert es eine gewisse Bereitschaft zur Anpassung, um zu überleben. Eine Maus die von einer Katze belauert wird, wird gut daran tun sich zu verstecken. Sich auf die neue Situation anzupassen und ihr eigenes Leben zu schützen. Wird diese Maus, aber über Tage hindurch belauert, wird sie verhungern. Die Maus muss aktiv werden, um ihr eigenes Leben zu erhalten. Und auch bei diesem Beispiel könnte man die erlernte Hilflosigkeit anwenden. Die eine Maus, die seit Tagen belauert wird, wird sich rauswagen, oder einen alternativen Fluchtweg suchen, wird kämpfen. Eine andere Maus könnte so verängstigt sein, dass sie zusammengerollt im Mauseloch verhungert, bevor sie auch nur irgendeinen Versuch unternommen hätte zu flüchten.

Und was ist eigentlich mit dieser Katze los? Hat die keine Moral? Kennt sie nicht den Spruch: Leben und leben lassen? Was bringt sie dazu eine Maus so zu tyrannisieren? Hat sie keine anderen Bedürfnisse, als diese Maus zu essen? Braucht sie keine Zeit für Zerstreuung, Spiel, Fortpflanzung etc.? Lebt diese Katze?

Und genau hier können wir dieses Beispiel aus einer anderen Perspektive betrachten. Die Maus in ihrem sicheren Versteck, riecht und sieht die Katze, weiß aber nichts von ihrer Lebendigkeit. Ihre Sinne vermitteln ihr aber automatisch, dass es eine Lebensgefahr gibt, ergo dass die Katze lebt.

Es könnte aber durchaus sein, dass die Katze schon längst verhungert ist und nur ihr Leichnam die endlose Wache aufrecht erhält. Wäre die Maus, die sich nicht herauswagt dann naiver, als jene die sich vorwagt?

Es sind die Ungewissheiten, die einen beherrschen. Ein Gläubiger sagt er weiß. Er zweifelt nicht und bleibt so handlungsfähig, vielleicht auch überlebensfähiger. Wird er seine eigene Aktivität aber aufgeben und sie einer passiven Macht übergeben, fängt das Spielchen mit der Maus von vorne an. Wenn sie auf eine externe Hilfe hofft, wird sie ausharren, bis sie verhungert.

Jeder Marathon beginnt mit einem Schritt. Dieser Schritt macht das ersehnte Ziel überhaupt realistisch. Das Heben des Beines verändert also die Wirklichkeit, mit der sich auch die mögliche Zukunft verändert. Es beginnt eine Dynamik in eine zielgerichtete Richtung, die mit der Annäherung des vorgestellten Ziels an Energie zunimmt. Es ist also ein selbstbefriedigender Vorgang. Die Schritte bleiben auch unter hoher Anstrengung erträglich, wenn der Glaube an Zielerfüllung nicht gebrochen wird. Die Aussicht auf Erfüllung muss sich realistisch anfühlen. Genauso muss es sich realistisch anfühlen nach dem Tod in den Himmel zu kommen, wie durch das Ziel zu laufen.

Geschichten von erzielten Erfolgen, bleiben dennoch oft Märchen für jene, die sie nicht selbst erlebten. Und zu Recht. Es sind Geschichten entsprungen in einem Leben, welches so einzigartig und individuell ist, wie Leben nun mal ist. Sie keimte in einem Organismus bis zur Reife, der genau dafür beschaffen ist. Ein Individuum, welches das perfekte Habitat für diese Idee bereitstellte. Eine Symbiose wird eingegangen, bewusst oder unbewusst, die wechselseitige Auswirkungen hat. Niemanden kann man seine Idee weitergeben, wie ein Stück Papier, es ist eher wie ein Lebewesen beschaffen oder wie ein Puzzleteil, welches Andockfühler besitzt. Es stirbt in jener Hand, welches nicht die passende Konstitution besitzt. Man müsste also die Konstitution verändern, bevor man jemanden eine Idee reichen könnte, die fruchten soll.

Es wird aber schnell ersichtlich sein, dass dies mit einem großen Energieaufwand geschehen müsste.

Wir müssen aber nichts weitergeben, wir können. Und wir haben auch die Freiheit, Dinge so zu lassen, wie sie sind. Und wir können uns an unseren Erfolgen freuen, unabhängig, ob sie von anderen genauso angestrebt werden oder als solche bezeichnet werden. Wem oder was ich folge, wird immer eine ganz individuelle Entscheidung sein, wenn ich sie ehrlich treffe, und sie wird dann auch ein viel größeres Potenzial haben.