Kulturschock

Normalerweise bekommt man einen Kulturschock in einem anderen, fremden Land. Wenn man mit komplett anderen Dingen und Verhaltensweisen konfrontiert wird. Ich haben diesen Kulturschock aber im eigenen Land erlebt.

Meine Grundannahme war, dass ein Ausbildungsort für Sozialpädagogen ein Ort ist, wo Menschen sind, die eine wohlwollende Haltung gegenüber Menschen haben die in schwierigen Lagen sind.

Die sich intensiv mit unserer Gesellschaft auseinandergesetzt haben und Perspektiven vertreten die fördernd und unterstützend sind.

Ok, das kann man ja mal schnell behaupten, aber ist das auch so?

Meine Erfahrungen in dieser(!) Ausbildung waren komplett andere. Und ich wurde immer wütender, weil es für mich tief enttäuschend war zu sehen, dass so ein wichtiger Ort diese Kriterien nicht erfüllte.

Wie kann es sein, dass man Unterrichtsstoff zusammenhanglos runterrattert, nur damit man einen Informationshaufen hat den man dann im Test abfragen kann?

Wie kann es sein, dass man vollkommen sinnbefreite Fragen in diesem Test stellt, die eine abwertende Haltung gegenüber den Klienten andeutet, und weder das Ganze mit einbezieht, zum Nachdenken anregt, noch zu Lösungsstrategien einladet.

Ein Test-Beispiel:

Es werden ein paar Sätze angeführt, die eine Situation beschreiben, wo ein Kind in einer Wohnsituation aufwächst, wo sehr viel ferngesehen wird.

Danach die Frage: Ist dieses Kind ein Fernseh-Kind?

  • Erstens ist diese Frage sinnlos, weil man zu wenig Informationen hat.
  • Zweitens ist die Formulierung idiotisch, weil es kein Fernseh-Kind gibt, es gibt nur ein Kind mit einem bestimmten Verhalten.
  • Drittens konditioniert es die Studierenden darauf zu diagnostizieren und das noch mit losen, kurzen, distanzierten Informationen.

Im Grunde hätte ich antworten müssen: Wer so eine blöde Frage stellt, bekommt auch nur eine blöde Antwort. Die Antwort ist: Maybe!

Also auch wenn die vorherigen Sätze andeuten würden, dass dieses Kind nach irgendeiner Definition (Nach Buch XY) ein Fernseh-Kind ist, ist es einfach komplett sinnlos dieses Kind als solches zu definieren. 

Aber wir können gerne eine weitere Analyse des Fragestellenden betreiben, das ist vielleicht sinnvoller, als diese Frage an sich.

Denn anscheinend ist es dieser Person wichtig, dass die Studierenden kategorisieren und Fragen nur so beantworten, wie es gewünscht ist. Nach dem klassischen Vorgehen: Ich gebe euch die Informationsquelle, nur hier sind die Antworten. Ich werde euch dann Fragen stellen, die bitte auch nur aus diesem Informationspool beantwortet werden sollen. Falls andere Antworten kommen, sind sie einfach falsch und werden als negativ bewertet. Wenn ihr dann einen Fetzen auf den Test bekommt, dann wird es eine Nachprüfung geben, die wiederum den selben Inhalt haben wird. Und so weiter und so weiter.

Dieses Vorgehen kann man nachvollziehen, wenn es primär darum geht, dass Tests grundsätzlich dazu dienen, dass man halt irgendwas schriftlich hat, um beweisen zu können, dass die Studierenden einen gewissen Stoff durchgemacht haben. Klar.

Aber aus der Perspektive des sinnvollen Lernens ein reinstes No-go.

Und wenn man dann noch bedenkt, dass es doch darum geht, dass man ausgebildet werden sollte, um schwierige Situationen meistern zu können, dann wird es richtig mühsam.

Das zählt eigentlich nicht mal unter „sinnlos“, sondern eher unter „destruktiv“. So viele Ressourcen komplett ungenützt und vielleicht falsch Verstandenes kann sich einnisten.

Das habe ich dann im Praktikum erlebt. Da gab es oft die haarsträubendsten Vorstellungen und Reaktionen. Kinder wurden oft immer nur direkt mit ihrer Diagnose betrachtet, oftmals sogar mit den Worten kommentiert: „Aus dem wird nie was werden.“

Und hier ging es zum Beispiel um ein 6(!)-jähriges Kind.

Auf das hätte man antworten müssen: „Wenn du so über ihn denkst, dann wird das wahrscheinlich tatsächlich eintreffen.“

Was glauben wir eigentlich was wir sind? Glauben wir, dass wir es besser machen würden, wenn wir in der selben Lage wären? Glauben wir, dass wir besser sind und herabschauen können? Glauben wir, dass wir selber komplett ungestört sind?

Aber so ist nunmal unsere Kultur. Wir haben alles schön kategorisiert, damit wir schnell Diagnosen stellen können. Der hat die Störung, die hat jene. Und dann?

Störung…das klingt ja sowieso so, als wäre das was Einzementiertes. 

Ich habe mich echt bemüht dem Unterricht zu folgen und mir mit zusätzlichen Recherchen einen Reim aus dem Ganzen zu machen. Muss aber gestehen, dass mir das nicht gelungen ist. Es hat für mich keinen Sinn gemacht. Der Input war nutzlos, um sich ein Bild zu erstellen, welches zusammenhängend und brauchbar für die Realität sein könnte.

Es war ein reinstes Wischiwaschi und teilweise komplett widersprüchlich. 

Am Ende musste ich mich fragen: Ist der Unterricht einfach unglücklicherweise unbefriedigend (Vielleicht sogar nur für mich selbst) gestaltet gewesen?

Oder spiegelt der Unterricht eine komplett andere Einstellung wider, mit der ich nicht arbeiten möchte?

Am Ende habe ich diese Ausbildung mit Würde scheitern lassen.

Mein erster Gedanke war: Was stimmt mit mir nicht? Ich bin gescheitert.

Mein letzter Gedanke: Dieses Vorhaben, einen passenden Ort für mich zu finden, ist gescheitert.

Das Bittere darin war, dass es schwer auszuhalten war, so wenig Resonanz zu erfahren. Das hatte direkten Einfluss auf mein Befinden und mein Selbstwertgefühl. Sich so gar nicht angenommen zu fühlen ist ein schirches Gefühl. Und man beginnt sich zurückzunehmen.

Auch das waren Erfahrungen die meine Selbst-Konstruktion beeinflusst haben. Es sind jetzt zwar keine Positiven, leider, aber sie sind ein Teil von mir.

Die wichtigere Frage ist jetzt eher, was kann ich damit anfangen? Und einen guten Punkt konnte ich tatsächlich eruieren: Ich hätte nie zum Schreiben begonnen, wenn ich nicht in der Ausbildung begonnen hätte Reflexionen zu schreiben. Dieser Blog wäre also nie entstanden.

Also beginne ich hier und jetzt eine neue Strategie und bedanke mich. Liebe Institution, wir hatten es nicht leicht miteinander. Und haben vielleicht auch nicht viel voneinander lernen können, aber ich möchte mich trotzdem bedanken. Dass ich wieder zum Schreiben gefunden habe ist ein Geschenk. Und hier nochmal ein direktes Dankeschön an den Unterrichtenden, der das angeregt hat ;).

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