Oft habe ich es geschafft, mich mit einem wohlwollenden Blick anzusehen. Anzunehmen wer ich jetzt bin. Anzunehmen, was ich jetzt brauche. Was ich brauche, damit es mir gut geht.
Und dann kommt der Druck funktionieren zu müssen. Anders sein zu müssen.
Aber wieso schämen wir uns eigentlich so dafür, so zu sein, wie wir eben sind? Und warum kommt immer und immer wieder diese Selbstverachtung?
Ich habe mir dann die Frage gestellt: Warum möchte ich eigentlich unsichtbar sein?
Und was für Gefühle verbergen sich eigentlich noch dahinter?
Mein erster intuitiver Ansatz war: Verletzlichkeit. Wer unsichtbar ist, kann nicht verletzt werden, oder?!
Es gibt einen Sicherheit, so unberührbar zu sein. Versteckt vor Angriffen.
Auf der anderen Seite verstecke ich mich aber auch vor mir selbst. Verwehre mir meine ganze Lebendigkeit. Und dies erzeugt wiederum Traurigkeit und Schmerz.
Die Maske über mein Gesicht streifend,
hoffend, dass niemand meine Wunden sieht.
Ängstlich abwartend, dass alles vorübergeht,
bevor eine weitere Wunde hinzukommt.
Ein sicherer Kokon, oder eher ein Trauerschleier?
Eingehüllt im Nebel, möchte ich unscheinbar wirken.
Soll der Filter kaschieren, was mich unzulänglich macht.
Sollen die Blicke über mich hinüberschweifen, ohne an mir haften zu bleiben.
Meine Konturen verschwimmend mit der Umgebung, ich ein Alles und ein Nichts.
Jedes Gesehenwerden ein Übergriff, eine Verletzung meiner Grenzen.
Das Vertrauen in wohlwollende Begegnungen schwindend, wird der Kokon zum Zufluchtsort. Wird er die letzte Instanz, wird er die letzte Möglichkeit sich zu bewahren.
Ein Entschwinden aus der Welt, seinen Körper zurücklassend, um seine Seele zu retten.
Die Zurückweisung der anderen, zu seiner eigenen geworden.
Das Versteck zu einem Gefängnis geworden.
Die Hoffnung auf Schutz zu einer verbotenen Sehnsucht des Gesehenwerdens.
Verletzlichkeit, oh Verletzlichkeit, wie sehr ich dich hasse.
Hast du mir doch nie gesagt, wie man dir entrinnen kann.
Hast du mir doch nur immer wieder gezeigt, dass meine Verletzlichkeit, die Arena der anderen ist.
Der Platz an dem sie sich groß fühlen konnten, der Ort des Bezwingens.
Ich mitten drin, in dem Kampf gegen die eigene Verachtung.
Was habt ihr in mir gesehen, was so furchtbar war?
Was habt ihr an mir nicht ertragen können?
War es meine Bedürftigkeit, die euch an eure erinnert hat?
Euch schwach fühlen hat lassen?
Oder war es meine Sanftmut, die euch eifersüchtig machte und euch zeriss?
Oder war es mein Schmerz der euch schuldig fühlen lies?
Oder war es einfach meine Existenz, die euch an eine Bürde erinnerte?
Wenn das nur wer sieht, was ich alles für euch war.
Wenn das nur jemals wer sehen würde, das verlassene Kind was ich war.
Nicht fähig Liebe in den eigenen Eltern zu wecken.
Und vor lauter Machtlosigkeit sich zu wünschen, sich einfach aufzulösen.
Einfach vom Wind davongetragen zu werden.
Sich einbettend in die wiegende Bewegung, sich hingebend an den Ort, wo man sein darf.
Wo es kein Verstecken gibt, keine Angst, keine Scham.
Wo alles gesehen, alles gehört, und alles gesagt wird, ohne zu demütigen.
Ein Ort, wo mein Schleier keinen Nutzen mehr hat, wo mein Gesicht nicht mehr nach ihm verlangt.
Dort wo meine gedachte Unwürdigkeit keinen Raum mehr hat.
Wo mein liebevoller Blick auf mich mehr zählt, als die der anderen.