Sich-selbst-Bestätiger

Die Menschen auf dieser Welt haben mir was sehr Erschreckendes beigebracht: Wenn ein Mensch sich einmal ein Bild von dir gemacht hat, ist dieses in der Zukunft schwer veränderbar. Dies trifft bei einem positiven, sowohl bei einem negativen Bild auf.

Der Mensch ist nicht nur ein Gewohnheitstier, er ist ein Sich-selbst-Bestätiger. Er ist ein selbstgefälliger, fauler Löwe, der immer wieder bestätigt bekommen will, wie toll er ist. Wie schön seine Mähne im Wind weht, wie kraftvoll seine Pranken, wie scharf seine Zähne, wie klug sein Verstand, wie großartig er einfach ist.

Also das an sich ist ja kein Problem. Es gehört zum gesunden Menschenagieren, dass er sich selbst motiviert und seine Identität beschützt. Man spricht auch oft vom „gesunden Egoismus“. Was auch als „gesunde Egozentrik“ bezeichnet werden könnte. Es geht um den Fokus auf das Selbst und seine eigenen Bedürfnisse. Das Ich steht im Zentrum. Und das ist für das Überleben zwingend notwendig.

Das Ganze schaut dann ein bisschen anders aus, wenn man in einer Gruppe lebt, oder von einer Gruppe abhängig ist. Hier wird plötzlich das Egozentrieren zu einem Problem. Denn wie soll eine Gemeinschaft funktionieren, wenn alle nur auf sich schauen. Da wird es mal schnell sehr turbulent zugehen. Man wird sich schwer einigen können, welche Dinge Priorität haben, da ja immer die persönlichen Dinge für einen an erster Stelle stehen. Die Situation wird sich aufheizen und Kämpfe entstehen. Ganz einfach aus der Tatsache, dass sich jeder übergangen und angegriffen fühlt.

Bedürfnisse die nicht erfüllt werden, hinterlassen einen Druck. Frust, welcher sich leicht in Wut auftürmen kann.

Wir Menschen haben also mindestens zwei sehr dominante Gefühlslager. Ein Wohlsein-Gefühl, wenn alles rund läuft und ein Unwohlsein-Gefühl. Die springen ziemlich schnell und automatisch an. Ich sehe einen sauberen, gesunden Apfel und ich habe ein gutes Gefühl (natürlich nur, wenn ich Äpfel mag).

Das heißt, das Gehirn hat Kategorien angelegt. Beziehungsweise sind alle Dinge die ich je gesehen, gerochen, gehört oder ertastet habe in meinem Gehirn mit Bewertungen verknüpft.

Wenn diese Bewertung schon ziemlich gefestigt ist, durch wiederholte Erfahrungen, passiert was Interessantes. Das Gehirn erspart sich einfach das erneute überprüfen und greift sofort auf die alte Bewertung zurück. Spart Zeit und Energie. Effiziente Sache.

Dieser Vorgang ist ideal geschaffen für Lebensumgebungen, die sich wenig verändern. Also stabile Lebensumstände, wo Gewohnheiten aufgebaut werden können und die Wahrscheinlichkeit eines permanenten Wechsels sehr gering ist.

Schauen wir uns das mal in einer komplexen, chaotischen Umgebung an.

Numero uno: Das Gehirn wäre öfters überfordert. Wenn es aber nur ansatzweise Material zu der Situation abrufen kann, wird es das tun, auch wenn es nicht 100% passt.

Numero due: Das Gehirn, wird bei Unwissenheit, einfach die Wahrnehmung verzerren, im schlimmsten Fall eine schwarze Fläche darstellen, wo keine ist.

Numero tre: Das Gehirn nimmt selektiv wahr, es stellt das Bekannte in den Fokus und nimmt dadurch Nebenstehendes gar nicht, oder vermindert wahr.

Also die eigen hervorgerufene Selbstbestätigung hat einen Performancehaken, in chaotischeren Umgebungen. In gleichbleibender Umgebung hat es wahrscheinlich mehr Vorteile als Nachteile.

Schauen wir uns das jetzt in unserer heutigen Lebensart an. Hier spreche ich von einer zivilisierten und privilegierten Menschengruppe, welche einem permanenten Wandel unterworfen ist. Also ein europäischer Großstädter könnte da als Versuchskaninchen herhalten.

Welches Weltbild wird er sich kreieren und mit welchen Mitteln?

Wie wir schon vorher durchgekaut haben, sind wir Menschen Sich-selbst-Bestätiger. Jegliches Bild was wir uns machen, von anderen, von der Welt oder eben von uns selbst, möchte bestätigt werden.

Dieser Vorgang findet auch in einer privilegierten Großstadt statt. Der Mensch lebt mit Vorurteilen in seinem Kopf, die automatisch bei Bedarf abgerufen werden.

Das lustigste Entgegenwirken was sich kluge Köpfe einfallen haben lassen, ist das „Verbieten“ von Vorurteilen. Und jetzt wird es richtig lustig. Den Menschen wird eingetrichtert, dass „offensichtliche Vorurteile haben“ nicht okay ist. So und was machen die braven Bürger, sie übernehmen dieses Bild und integrieren es bei sich selbst.

Nur mal kurz hervorgehoben: Ein Mensch, der naturgemäß seine Identität damit schützt, dass er kategorisiert beziehungsweise Unpassendes ablehnt, integriert in seinen Verstand einen Mechanismus der diesen Mechanismus stigmatisiert und ablehnungswürdig macht.

Im Grunde hat dieser Mensch nur eine neue Kategorie geschaffen, sie heißt: Menschen, die diskriminieren sind schlecht. ( Was sie nicht mitbekommen ist, dass sie sich automatisch selbst diskriminieren.)

Der Sich-selbst-Bestätigungs-Mechanismus tut dann sein übriges, er wird dieses Bild in jeder Situation versuchen aufrechtzuerhalten. Und in einer chaotischen Umgebung wird sich dieses Bild sehr oft von der Realität unterscheiden.

Ich habe ein Video über das Blue-Eyes-Experiment angesehen. Kurzum geht es bei diesem Experiment um die Auswirkungen und Dynamiken von Diskriminierung (in diesem Fall wurden Blauäugige diskriminiert). Was mich aber wirklich vom Hocker gehaut hat, war ein nebensächlicher Gesprächsausschnitt in dem Video.

Ein Mitwirkender des Experiments (Er konnte das Experiment von außen beobachten) kommt mit einem Experimentsteilnehmer ins Gespräch (lockere Nachbesprechung in der großen Runde). Der Mitwirkende hat eine dunkle Hautfarbe. Der Teilnehmer hat eine helle Hautfarbe.

Der Schwarze zum Weißen: „Für was wurdest du bitte diskriminiert, ich sehe da nix!?“

Der Weiße (unsicher): „Naja, wegen meiner Homosexualität.“

Der Schwarze (leicht erschrocken): „Ahso sorry, das wusste ich nicht.“

Ich habe es einfach nicht glauben können. Sogar nach dem Experiment/Workshop konnten es manche Personen einfach nicht lassen, das Gegenüber in eine Schublade zu stecken. Sogar dann nicht, wenn sie selbst Diskriminierungserfahrungen hatten.

Weder Wissen, noch Erfahrungen schützen anscheinend davor.

Und wer denkt, immer alles über die Welt, sich selbst oder sein Gegenüber zu wissen, sollte vielleicht ein wenig vorsichtiger sein, denn es könnte auch komplett falsch sein!

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