Vertrauen

Ist alles wirklich so simpel? Und Glück bedeutet zu akzeptieren was ist? 

Wäre alles einfacher, wenn wir hinnehmen würden, anstatt zu versuchen alles zu kontrollieren?

Und wenn das so einfach wäre, warum schafft das dann fast niemand? Wieso hängen wir an alten Dingen, warum zwingen wir jedem Moment unsere vielleicht schon veraltete Wahrnehmung auf? Auch dann, wenn es uns geißelt. Wieso fällt es uns so schwer loszulassen? Wieso können wir nicht jeden Moment neu sehen, neu annehmen, so wie er ist? Warum haften wir an unseren Erwartungen und Wünschen, wie ein kleiner Koala? Wieso versuchen wir alles an diesen Vorstellungen herum zu konstruieren, zu definieren, zu kontrollieren? Wieso wehren wir uns gegen Tatsachen, gegen unangenehme Begebenheiten? Sind wir alle Happy-End-Süchtige oder einfach nur stur? Oder bedroht es zu sehr unsere inneren Wahrheiten, vielleicht sogar unsere Identitäten?

Würden wir die Wahrheit nicht ertragen, wenn sie vor uns steht? Haben wir Angst, dass wir es nicht aushalten würden?

Vielleicht wären wir enttäuscht, vielleicht würden zerplatze Illusionen uns zerrütten.

Aber genau das sind Krisen, oder? Ereignisse die einfach nicht in unseren Plan passen. Unser konstruiertes Bild von der Welt auf den Kopf stellt. Wie soll man sich schon da fühlen, als komplett überfordert.

Und auch wenn wir eigentlich spüren, dass das Leben nicht planbar ist, erklärt uns die Umgebung, dass wir genau das zu tun haben. Karriereplanung, Familienplanung, 5-Jahres-Pläne usw.

Unsere Kultur ist praktisch vollkommen verkrüppelt was Ratschläge bezüglich einem guten Leben betrifft. Aber wo findet man dann Orientierung?

Und auch hier wurden wir vollkommen verkrüppelt zurückgelassen. Uns wurde von klein auf immer und immer wieder gesagt, dass andere es besser wüssten. Wir wurden zwangssozialisiert, und die meisten Lehrer machte genau eines, sie sagten uns, was richtig und was falsch ist.

Irgendwann dachte ich mir, wo ist eigentlich der Ort, wo man selber denken kann?

Vielleicht muss man akzeptieren, dass unsere Kultur so ist, ja. Und sie wird noch länger so  bleiben, das ist Tatsache.

Kann ich es aber mit mir selbst vereinbaren, dass ich diese Konstrukte ständig auf mich selbst anwende? Möchte ich dieses Karussell weiter betreiben? Möchte ich weiterhin passives Spielzeugpferd oder scheinbar aktiver Konsument sein? Möchte ich mich weiter daran festhalten, dass es meine Bestimmung ist sich ständig im Kreis zu drehen oder es Freiheit bedeutet, wenn ich mir vorgegebenen Vergnügungen hingebe? Möchte ich mir sagen lassen, wie und wie lange ich auf dem Pferd zu sitzen habe? Oder in welchem Rhythmus ich mich als Pferdchen zu bewegen habe?

Wenn Leben nicht kontrollierbar ist, warum haben wir dann in unserer Kultur so viele starre Regeln? Wenn wir wissen, dass jeder Mensch einzigartig ist und gleichzeitig alle Menschen was Gleiches in sich tragen, warum pressen wir dann einzelne Menschen in Kategorien? Und warum drängen wir darauf, dass wir eine riesengroße Einheit werden, auch wenn viele Menschen noch ein ganz anderes Bedürfnis haben? Vielleicht wollen wir keine klobige Masse werden, in der wir unterzugehen scheinen. Vielleicht wollen wir uns noch lebendig und gesehen fühlen. Uns zugehörig und aufgehoben. Vielleicht wünschen wir uns eine Familie und keine undefinierte globale Sekte.

Ich habe den Verdacht, dass unsere Politik schon wieder das selbe gemacht hat, wie schon immer, nur halt subtiler. Es werden grundlegende Bedürfnisse des Menschen hergenommen und so getan, als würde sich jetzt endlich mal jemand darum kümmern. Und ich glaube es ist wieder etwas passiert, was ständig passiert: Die ursprüngliche Idee wurde von den nächsten Generationen so verändert, dass sie nicht mehr viel mit der ursprünglichen gemeinsam hat. Das kann natürlich auch bedeuten, dass sie verbessert wurde, oder eben an den momentanen Begebenheiten angepasst wurde. Kann aber auch bedeuten, dass die Idee weiterhin mit dem gut erinnerten Kontext verkauft wird, aber komplett anders gehandhabt wird. Das nennt man dann glaub ich Korruption. Also der absichtliche Missbrauch von Vertrauen.

Hier kommen wir zu einem sehr wichtigen Punkt. Was ist eigentlich Vertrauen? Mit Vertrauen begibt man sich in die Hände eines anderen. Es macht uns abhängig. Auf der einen Seite brauchen wir Vertrauen, damit Gemeinschaft funktioniert. Auf der anderen Seite ist es auch sehr gefährlich und kann missbraucht werden.

Jürgen Wertheimer und Niels Birnbaum schreiben in ihrem Buch:

„Vertrauen ist nur dann notwendig und entsteht nur dann, wenn Informationen über die Absichten des Gegenübers fehlen, wenn man also das Verhalten des Gegenübers nicht vorhersagen kann. Ist es völlig vorhersagbar, benötigt man weder Vertrauen noch Misstrauen.“ 

Und weiters beschreiben sie ein Phänomen, die Betrugsaversion:

„Die Aversion gegen Betrug geht so weit, dass viele Menschen lieber Vertrauen zu jemand Vertrauensunwürdigem fassen als zu erfahren, dass sie von jemanden betrogen wurden.“

Daniel Ullrich und Sarah Diefenbach erwähnen in ihrem Buch:

„Die von der Vertrauensforscherin Iris Bohnet und Kollegen beschriebene Betrugsaversion wurde zunächst im Kontext ökonomischer Entscheidungen untersucht: Personen sind eher  dazu bereit, Risiken einzugehen, wenn diese durch äußere Umstände bestimmt sind, als wenn das Risiko darin besteht, von einer anderen Person getäuscht zu werden. Die Hürde, Vertrauen zu schenken und möglicherweise betrogen werden, ist mit hohen psychologischen Kosten verknüpft. Wir scheuen uns, anderen Vertrauen zu schenken, weil wir es als demütigend erleben, wenn dieses enttäuscht wird.“

Das ist der momentane Status unserer Gesellschaft. Die Frage ist, ob das immer schon so war, oder ob unsere Betrugstoleranz allmählich erschöpft ist. Fakt ist aber, dass wir Menschen ein starkes Bedürfnis nach einer sicheren Umgebung haben. Und falls wir uns in der heutigen Zeit immer unsicherer fühlen, hat das sicher etwas zu bedeuten.

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