1-2-3-goschat sein!

Vor einiger Zeit wurde zu mir, mit einem genervten und leicht aggressiven Ton, gesagt: „Hören Sie eigentlich niemals auf?!“

In dem Moment war ich sprachlos. Nach einem Zögern brachte ich nur heraus: „ Ich habe das Gefühl, dass sie ein falsches Bild von mir haben und ich denke, dass ich das nicht ändern kann.“

Jetzt im Nachhinein hätte ich sagen sollen „ Ha, ganz genau, ich kämpfe dafür, was ich für richtig halte!“

Ich hätte für mich einstehen sollen und einfach goschat sein sollen. Ich hätte genug gute Argumente gehabt. Und doch war ich mir unsicher, ob ich im Recht war.

Es hat mir keine Ruhe gelassen und ich hab mich hartnäckig auf die Suche nach Antworten gemacht. Im Endeffekt hab ich nicht aufhören können, genau wie die Person gesagt hat. Aber nicht weil es was Schlechtes ist, sondern weil es für mich essenziell ist.

In mir gab es das Gefühl, dass man sich erst wehren darf, wenn man 100%-ig Recht hat. Zusätzlich habe ich meinem Gegenüber eine viel zu hohe Kompetenz zugesprochen.

Manche Menschen haben aber einfach nicht Recht, auch wenn sie es mit ihrer autoritären Art versuchen zu untermauern.

Dass sich diese Menschen gerne mit hörigen „Untergebenen“ umgeben ist ein verständlicher Effekt. Querulanten oder Freidenker sind da nicht willkommen. Anpassungsbereite, brave Lemminge sind da schon eher auf der Einladungsliste.

Das kann man so machen, muss man aber nicht.

Ich hab mir auch vorgestellt, wenn jemand zum Beispiel zu Gandhi gesagt hätte: „Hey du, hörst du eigentlich niemals auf?“ Wär ja auch irgendwie lächerlich, oder.

Und dann dachte ich, okay, aber wie weiß man, ob ein bestimmter „Kampf“ gerechtfertigt oder in Ordnung ist. Ab wann ist es Größenwahn oder Gewalt? Wo ist da die Grenze?

Und höchstwahrscheinlich kann man das nicht so genau sagen, da es auf das Ergebnis ankommt. So wie bei vielen Wissenschaftler. Viele wurden für ihre Ideen verfolgt, geächtet oder getötet. Einige sind verarmt oder schwer depressiv gestorben. Andere wiederum hatten Glück, und ihre Ideen waren in ihrer Zeit, in der Umgebung annehmbar. Das hat also weder mit der Person zu tun, noch mit der Idee an sich. Viele Gedanken und Theorien wurden erst viele Jahrzehnte später als eine Bereicherung erkannt.

Also, ja, es kann ein hartes Los sein gegen den Strom zu schwimmen. Es kann aber auch hart sein, sich anpassen zu müssen, nur um zu überleben.

Und trotzdem ist Anderssein oder Andersdenken kein Indiz für Unrichtigkeit.

Vollkommen wurscht, ob diese “neuartigen“ Ideen richtig sind oder nicht, macht es einfach keinen Spaß, wenn man sie nirgendwo platzieren kann.

Ist schon lustig, wie die Gesellschaft Kreativität hoch anpreist und dann null Platz für Querdenker und kreative Köpfe schafft. Ich habe noch keine Stellenausschreibung gesehen, wo steht: „Wir suchen Querdenker, Freidenker, Menschen mit kreativen Ideen. Wir bieten Raum zum Ausprobieren und Gestalten, zum Experimentieren und Erfinden.“

Das wär mal was. Selber denken! Statt Schemen nach-zudenken.

Dann würde die Gesellschaft aber nicht mehr so „reibungslos“ funktionieren. Was für ein Mist.

Ha, das wäre mal eine witzige Sache. Ein Tag, an dem alle Angestellten auf der Welt im selben Moment schreien: „1-2-3-goschat sein!“ Und dann werden mal die Rollen aufgehoben und es wird mal gesagt, was so lange nicht gesagt wurde. Eine Freiredezeit sozusagen, mit Kündigungsschutz.

Eingeleitete Eskalation. Hihi. Das wäre der Hammer. Da würden sich mal die Seiten ganz schnell ändern, wenn jeder das selbe Recht auf Aussprache hätte.

Jetzt muss ich wieder an den besten Witz überhaupt denken: „Wir leben ja in einer Demokratie!“

Ahh so? Na dann, wird das ja einfach zum Umsetzen sein, oder!?

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