Wenn ich könnte würde ich mir wünschen viele Dinge einfach nie erlebt zu haben. Ich würde mir wünschen, dass manche Erinnerungen verblassen und sich in eine abstrakte Aquarellfläche verwandeln. Undefiniert, ohne Struktur.
Ich würde mir gerne eine andere Vergangenheit zusammenstückeln, mir formen was zu mir passt.
Ich würde mir Menschen formen, die mich unterstützend begleiten. Die kein Bedürfnis spüren anderen ihre Werte aufzuzwingen. Menschen die sich selbst so sehr mögen, dass sie auch andere mögen können.
Es macht mich traurig, dass es anders war.
Und es macht mich wütend was diese Menschen anderen angetan haben. Ich werde zornig, wenn ich daran denke, wie rücksichtslos sie weiter ihr Verhalten beibehalten werden. Es erfüllt mich mit Scham, dass ich aus diesem Verhalten meinen Wert versucht habe abzuleiten. Wie erbärmlich wir Menschen sein können, wie abhängig, wie liebesbedürftig.
Wenn ich könnte, würde ich mir wünschen, dass alle Erinnerungen an Menschen verschwimmen, die andere klein machen mussten, um ihren eigenen Wert aufzuwerten. Ich würde mit Genugtuung diese Erinnerungen wie Kreide von einer Tafel löschen. Platz einräumen, der mir schon vorher zustand.
Aber wir können Erinnerungen nicht löschen. Wir können sie auch nicht aktiv verblassen lassen. Wir können sie nur langsam „überschreiben“. Wie bei einer alten Schreibmaschine, wo man einen Tippfehler gemacht hat, und man nur mehrmals drüber tippen kann, damit es unleserlich wird.
Wir können nur beginnen andere Erfahrungen zu machen, damit die alten an „Aktivität“ verlieren. Neue Synapsenbahnen, die sich gut anfühlen, immer und immer wieder „befahren“. Positive Straßen bauen, Wege des Wohlbefindens.
Aber dafür brauchen wir „positive“ Erfahrungen, und noch eine Menge davon. Eine befahrene Autobahn von guten Ereignissen. Keine Unfälle, Nötigungen oder Drägeleien.
Es braucht einfach Zeit. Und glückliche Umstände.
Und auf der anderen Seite, kann man nicht sagen, dass man selber schuld ist, dass man sowas zugelassen hat? Vielleicht. Kann aber auch sein, dass das die zweitdümmste Perspektive ist. Sich selbst dafür zu verurteilen, weil andere einen schlecht behandelt haben. Wäre ja dann wieder in der Kategorie: Weil andere mich schlecht behandeln, bin ich schlecht. Diesen Schuh möchte ich mir aber nicht mehr anziehen, den können die sich mal schön behalten. Dieser Pantoffel sollten den Pseudohelden mal schön um die Ohren geschleudert werden, mit viel Schmackes.
Komischerweise passiert das aber selten. Und auch wenn, dann würd der Pseudoheld nur irritiert schauen, weil er sowieso nix kapiert. Aber auch das darf einem wurscht sein. Geht ja hier nicht um Einsicht, sondern eher um das Statement. Um die Untermauerung des eigenen Selbst. Nach dem Motto: Den Scheiss könnt ihr euch behalten!
Man bräuchte so etwas wie eine automatische Bullshit-Rückschleuder. Das wäre mal eine echt geile Erfindung. Eine Vorrichtung die die ganzen unnötigen, verletzenden Aussagen von Menschen einfach wieder zurückschleudern, ohne großen Aufwand.
Oder eine Filtermaschine, die nur positive Dinge durchlässt und alles andere automatisch filtert. Herrlich. Obwohl wenn ich so nachdenke, dann gibt es sowas ja eigentlich schon in Miniausführung. Aber kann man sich nicht so leicht zulegen. Ist jetzt kein Teil welches man sich mal schnell im Supermarkt besorgen könnte. Ist eher sowas wie eine Fähigkeit, oder eine Mitgift in der Kindheit. Wie ein durchsichtiger Schutzmantel um das eigene Selbst. Oder vielleicht sowas wie eine Schutzmauer, wer weiß; keine Ahnung wie sich das anfühlt, haha. Vielleicht fühlt sich das auch an wie ein kuscheliger Kokon, oder wie ein schwabbeliger Wackelpudding. Oder wie eine Rüstung. Oder wie ein schützender, strahlender Lichtschild. Oder vielleicht fühlt es sich an, wie komprimierte Kraft, die gleichbleibend fließend in einem besteht. Oder vielleicht fühlt es sich an wie warme Sonne auf der Haut, einfach wie ein Wohlgefühl. Oder vielleicht ist es so wie Lachen, Humor, und alles wird einfach so verwandelt damit es sich gut anfühlt. Oder vielleicht fühlt es sich an wie ein vollbesetztes Schiff auf dem man steht und die Richtung angibt, „Ahoi Gefährten, volle Fahrt voraus“. Ja vielleicht wird einfach das unnötige Geschrei der Idioten unter Deck, die eh keine Ahnung haben von Wind und Gezeiten, ignoriert. Und der eigene Weg einfach weiter verfolgt, weil man an ihn glaubt. Weil man sich kompetent fühlt. Weil es das eigene Schiff ist, weil es Sinn für einen macht, weil es keine Zweifel gibt, wohin es gehen soll.
Und wenn es so ist, fühlt es sich dann gleich an, wenn man alleine ist? Ist es dann das selbe Gefühl, wenn man keine Mannschaft hinter sich hat, sondern ganz alleine in einer Schaluppe sitzt?
Möglicherweise ist es nicht ganz das selbe Gefühl. Aber es wäre möglich so zu tun, als wären da noch Leute. Ne feine, motivierte Mannschaft, die mitrudert oder das Segel hisst.
Wenn ich aber genauer darüber nachdenke, dann sind es vielleicht zwei Gefühle. Eines welches ich alleine auch reproduzieren kann, und eines welches durch die Gemeinschaft entsteht. Und beide zusammen sind dann vielleicht sowas wie der Jackpot.
Ok, wie auch immer. Auf jeden Fall will man keine Meuterer, oder blinde Passagiere auf seinem Schiff. Man möchte ein stabiles Schiff, eine treue Mannschaft, ausreichend Verpflegung und ein Sicherheitsgefühl, dass man auch bald ankommt. Dann macht Reisen mit großer Wahrscheinlichkeit auch Spaß.
Und wenn man das Schiff dann auch noch nach langer Zeit in einen sicheren Hafen manövriert hat, dann ist man sicherlich auch stolz auf sich.