Alte Gedanken (4)

Thema: Burnout

Als wir das Thema im Unterricht durchgemacht haben sind mir viele Gedanken durch den Kopf gegangen…

Was ist das eigentlich „Burnout“? Warum sprechen so viele Leute davon und ist es wirklich eine Modeerkrankung? Können sich Menschen nach so einer Phase wirklich nicht mehr erholen? Ist es jetzt überhaupt eine Erkrankung oder eine Bezeichnung für was ganz anderes?

Wenn man genauer hinschaut, dann geht es ja eigentlich um Stress. Komischerweise wird immer von guten und schlechten Stress geredet. Was im Grunde genommen irreführend ist. Denn korrekter wäre es zu sagen, dass Stress negative Auswirkungen hat, wenn er chronisch ist. Und noch korrekter wäre es zu sagen, dass Stress eine natürliche Reaktion ist, die aber immer eine darauf folgende Erholungsphase benötigt. Wenn die Erholungsphase ausfällt oder zu kurz ist, schnellt die Stresskurve wieder rauf und der Körper kann sich nicht regenerieren.

Gut, das würde den Zusammenhang mit „ausgebrannt sein“ erklären. Denn beim Burnout geht es nicht nur um die Psyche, es geht auch um den Körper. Die Reserven werden aufgebraucht und Mangelerscheinungen machen sich bemerkbar. Diesen Aspekt darf man auf keinen Fall vergessen. So ist es auch logisch, dass die Regenerationsphase nach einem Burnout ziemlich lange dauert, weil die Depots wieder aufgefüllt werden müssen, dies kann eben auch Jahre dauern.

Und jetzt zum Stress. Warum haben eigentlich so viele Leute so viel Stress? Vielleicht hat das was mit unserer Leistungsgesellschaft zu tun. Wir sollten doch funktionieren, ein guter Bürger sein, eben unseren Teil zu der Gesellschaft beitragen. Wie sonst sollte dieses System funktionieren. Bestimmt von einigen “klugen Köpfen“, werden Konzepte beschlossen, die es einzuhalten gilt. Die Wirtschaft in eine Richtung gefördert, die bestimmten Menschen einen hohen Benefit bringen. Aber da braucht man auch Arbeiter. Na gut, dann baut man einfach die Bildungsangebote in diesem Bereich aus und macht ansprechende Werbung dafür.

Aber was ist dann mit diesen Arbeitern, wie werden diese behandelt bzw. ist das auch der richtige Platz für sie?

Stellen wir mal eine These auf: Was ist, wenn die Gesellschaft die Menschen dahin erzieht, was sie eben gerade braucht. Die Menschen werden manipuliert, bekommen das aber nicht bewusst mit. Sie versuchen ihr bestes, dem System zu entsprechen, den Autoritäten zu gefallen, eine angesehene Identität zu entwickeln. Doch innerlich spüren sie einen Widerstand. Sie fühlen sich am falschen Platz. Sie fühlen sich nicht wahrgenommen oder gar wertgeschätzt. Für das System wäre es aber eine Katastrophe, wenn die Menschen tun würden, was sie wollen oder sein würden wer sie sind.

Und da komme ich zu einem wichtigen Punkt, es geht um Identität. Der Beruf macht eine wichtige Säule der Identität aus. Was ich tagtäglich tue macht mich eben auch aus.

Was aber sofort auffällt ist, dass der Beruf als Sozialpädagoge ganz anders ist als andere. Denn in vielen Berufen, wenn nicht sogar in den meisten, kann man quasi gleichzeitig zwei Leben führen. Eine in der Arbeit und eine im Privatleben. Doch als Sozialpädagoge bringt man seine ganze Persönlichkeit mit ein. Seine Stärken und definitiv auch seine Schwächen. Man kann keine zwei Leben führen. Somit wird Ablehnung in der Arbeit auch viel persönlicher genommen. Wie schnell das passiert kann man täglich in den Einrichtungen erleben. Was kann man aber dagegen tun, oder sollte man überhaupt was dagegen tun? Könnte ich es vielleicht als Chance sehen, es etwas genauer zu betrachten? Ja ich könnte weg von der Erwartung „perfekt sein zu müssen“, hin zu „danke für den Input, schaue ich mir noch an“.

Wenn man glaubt, dass man ab einem gewissen Alter, oder nach einer gewissen Ausbildung seine Identität in der Tasche hat, kann man nur verlieren. Das ist ein lebenslanger Prozess.

Burnout würde sicherlich weniger entstehen, wenn man sich seiner momentanen Identität und seinen Platz in der Umwelt gewiss ist. Da könnte man mal ansetzen.

Da fällt mir gerade ein super Buch ein „das Milgram-Experiment“. Indem es um die Auswirkung von Autorität geht und deren Wirkmechanismen. Spannend ist ja, dass die meisten Menschen sich dem Einfluss einer Autorität schwer entziehen können bzw. widersetzten können. Ich finde das super spannend, es ist ein wichtiger Aspekt in der sozialpädagogischen Arbeit. Sozialpädagogen arbeiten oft mit Macht. Was bei Kindern besonders einfach ist. Es wird mit Lob und Tadel gearbeitet. Sie entscheiden, was gelobt oder getadelt wird. Mich verwundert diese Vorgangsweise, da es ja nur Abbilder von meinen Vorstellungen produziert. Blöd ist es dann aber, wenn meine Vorstellungen sich als vollkommen falsch erweisen.

„Ups, sorry kleines Kind, ich habe dir seit Jahren dies und jenes verboten, aber jetzt bin ich drauf gekommen, dass es eigentlich viel besser ist, wenn du es doch machst, weil es deine Persönlichkeit stärkt.“ Obwohl das ja auch schon eine großartige Sache wäre, wenn man sich so einen “Fauxpas“ eingestehen kann.

Vielleicht kann man nicht alles “richtig“ machen, aber man könnte sich auf jeden Fall überlegen: Warum reagiere ich so? Was macht das mit mir? Möchte ich so behandelt werden?

Jetzt merke ich gerade, dass ich abschweife.

Zum Burnout fällt mir noch was Wichtiges ein. Ich möchte Burnout mal umbenennen, ich sage jetzt „Umbruch“ dazu. Denn vielleicht ist es ja das, dass mein Körper und meine Psyche mir sagt: „Hey hallo, das geht so nicht, bitte ändere die Situation!“ Klingt ja gar nicht so schlimm. Außer man fühlt sich ohnmächtig, nicht mehr handlungsfähig. Vielleicht kommt das ja daher, dass man nur ein Repertoire an Strategien kennengelernt hat oder nur ein Ideal kennt. Und das kann einen ganz schön in eine Krise bringen, wenn man diesem Ideal zum Verderb nicht entsprechen kann. Da wäre der vorherige Satz eine Erlösung („Ups, sorry kleines Kind, ich habe dir seit Jahren dies und jenes verboten, aber jetzt bin ich drauf gekommen, dass es eigentlich viel besser ist, wenn du es doch machst, weil es deine Persönlichkeit stärkt.“). Dann würde man wissen, dass man nicht selber das Problem ist. Ja, darum geht es.

Burnout ist keine Persönlichkeitsschwäche oder Resultat von schlechten Arbeitsbedingungen. Es geht um eine größere Sache. Es geht um Menschlichkeit. Abgesehen von der Evolution, haben wir echt nicht gut auf unsere Menschlichkeit aufgepasst. Eigentlich sogar mit Füßen getreten. Und jetzt toben die Affen im Zoo, die Krawatten baumeln und schmutzige Geldscheine fliegen durch die Luft…

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