Glass

Schauen wir uns mal den Film „Glass“ (2019) an, eine Fortsetzung/Kombination aus Split und Unbreakable:

Drei Hauptfiguren, gespielt von:

James McAvoy – Mann mit multipler Persönlichkeitsstörung

Bruce Willis – Mann mit Superkraft und übersinnlichen Fähigkeiten

Samuel L. Jackson – Mann mit Glasknochen und Superhirn

In dem Film stellt sich die Frage: Haben die drei Personen wirklich Superkräfte, oder haben sie eine psychische Störung, und denken nur, dass sie Superhelden sind.

Sehr geile Idee und sogar sehr lebensnah. Was wir von uns denken hängt stark davon ab, wie unsere Umwelt auf uns reagiert und was wir für möglich halten.

Unser Gehirn kann nicht wirklich komplett neue Ideen kreieren, ist ja immer eine Kombination aus Bekannten. Und wenn es nichts gibts mit dem man sich identifizieren kann dann gibt es zwei naheliegende Möglichkeiten: Man denkt, dass man verrückt ist. Oder man begibt sich auf die Suche. Je nachdem wie hoch das eigene Selbstwertgefühl eben ist, wird der Weg eingeschlagen.

Blöd ist ja nur, dass das Selbstwertgefühl genau dadurch beeinflusst wird, wie „richtig“ man sich fühlt. Und man fühlt sich richtig, wenn man so behandelt wird. Wenn man sieht, dass das eigene Sein eine positive Resonanz bei anderen erzeugt, im Gegensatz zu Ablehnung.

Was im Endeffekt bedeutet: Werde ich gespiegelt dann gehts mir gut, wenn nicht, dann bin ich verwirrt, irritiert und verunsichert. Verunsichert in meinem Sein, verunsichert von Menschen, verunsichert von der Welt. Das Gefühl „Nicht dazuzugehören“ wird sich breitmachen. Das eigene Selbst nimmt Schaden und im schlimmsten Fall abgespalten. Was eine effektive Überlebensstrategie ist, aber richtig schwer zu korrigieren ist.

Der Film bringt nicht nur diese Dynamik rüber, sondern auch einige andere. Erstaunlicherweise sehr tiefgreifende.

Das Genie mit Glasknochenkrankheit zum Beispiel beginnt seine Identität dort zu suchen, wo er sich am meisten Sinn erhofft: Superheldentheorie. Wenn es Menschen mit unterdurchschnittlichen Fähigkeiten gibt, dann müsste es doch auch Menschen geben mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten.

Hier passiert genau das vorher Beschriebene: Man merkt, dass man anders ist, man sich mit nichts in der Umgebung identifizieren kann usw. und dann hat man zwei Möglichkeiten.  Innerlich langsam sterben oder sich auf die Suche machen.

Okay stimmt nicht ganz. Gibt natürlich noch mehr Möglichkeiten.

Wie James McAvoy, der seine Persönlichkeit damit schützte, indem er sie abgespalten hat, und andere Persönlichkeiten erschuf. Persönlichkeiten die in manchen Situationen funktionstüchtiger sind. Ganz so funktioniert das natürlich nicht in der Realität, aber cool umgesetzt.

Und dann haben wir noch Bruce Willis, der ja eigentlich ne sehr eigene Strategie fährt. Verdrängung. Alles was nicht passt wird passend gemacht. Und im Bezug auf psychische Dinge kommen die Abwehrmechanismen zum Zug. Kleine, sehr sehr starke Vorrichtungen, die extrem effektiv Dinge von uns abschirmt, die wir momentan nicht aushalten würden. Also ab damit ins Unterbewusstsein, um funktionstüchtig zu bleiben.

Vergleichbar mit dem Stockholm-Syndrom. Also wo das Opfer plötzlich Zuneigung zum Entführer empfindet.

Und wie schon einmal erwähnt, dass machen Kinder automatisch, wegen der extremen Abhängigkeit. Also im Grunde checkt der Geist unterbewusst: „Shit, ich habe keine Chance, wenn ich mich wehre.“ Und dann werden halt alle möglichen Strategien gefahren, um die Situation zu überleben.

Und da rede ich jetzt nicht nur über Essen und Trinken. Auch Zuneigung ist ein Grundbedürfnis und kann uns Menschen bei dementsprechenden Fehlen zum Rand von Gut und Böse bringen.

So jetzt aber wieder zurück zum Film.

Samuel L. Jackson erwähnt also im Film, wie furchtbar das Gefühl ist nirgends dazuzugehören.

James McAvoy hat die Überzeugung, dass Menschen die leiden mussten rein sind.

Und Bruce Willis ist hin- und hergerissen, was ist wahr und was nicht. Seine Möglichkeiten lebend, dann wieder anzweifelnd.

Und wenn man es genau betrachtet beides zur gleichen Zeit „wahr“/existent.

Denn glaubt er nicht an seine Superkräfte, so ist er normal, lebt ein normales Leben.

Glaubt er aber daran, dass mehr in ihm steckt, so können sich diese Kräfte erst bemerkbar machen. Und wenn dann noch andere daran glauben und ihn spiegeln, dann kann er sein komplettes Repertoire raushauen.

Und am Schluss noch ne ganz clevere (wenn vielleicht für manche schnulzig anmutende) Aussage. Die aber so simpel, wie wahr ist. Echte, positive Gefühle können so manche psychische „Dissonanz“ reparieren.

Was dann auch erklärt, warum so viele Interventionen nicht funktionieren. Eigentlich voll logisch, weil die Natur der Intervention schon dysfunktional ist. Man hat etwas als „falsch“ oder störend bewertet und will es verändern. Und jetzt legen wir das mal auf uns selbst: Jemand empfindet mich als falsch und will mich verändern.

Na was für ein Kompliment, da geht mir ja das Herz auf. Fühle mich gleich belebt und voller Energie und Tatendrang.

Okay jetzt wieder ernsthafter. Das kann einfach nicht dauerhaft funktionieren, unmöglich.

Und jetzt kommt das Finale sozusagen. Es kann nämlich auch falsch sein was andere sagen. Und es kann sogar sein, dass andere einen klein halten wollen, damit man nicht groß wird. Und somit nie eine Bedrohung werden kann für die anderen.

Klingt scheußlich, aber leider sehr sehr realistisch und verbreitet, wie Mücken im Hochsommer.

Was das Phänomen unterstützt: Lieblosigkeit. Jegliche „Aktivitäten“ die „Menschlichkeit“ leugnet. Darunter fallen alle möglichen Lebenskonzepte und Verhaltensweisen, die disziplinierend, moralapostlerisch oder bekehrend wirken/sind. 

Was aber hilft oder unterstützt sind liebevolle Beziehungen, Verhaltensweisen und Lebenskonzepte. Echte Gefühle, echter Zusammenhalt; also eigentlich alles mögliche was echt ist :).

Besser eine echte Sache, als tausend Unechte. Finde ich zumindest.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.