Her mit dem schönen Leben!

Jeder hat seinen eigenen Spleen, Tick, Marotte. Meiner wurde zu einer Leidenschaft oder eher zu einer Obsession?

Getrieben von der Suche nach einer Lösung. Der Suche nach einem Weg. Vielleicht getrieben nach der Suche nach einem Ort? Einem Zuhause?

Das empfundene Entrücktsein, und die Hoffnung dafür eine Erklärung zu finden, hat mich weiter suchen lassen.

Ich fand in dem Gesagten und Gezeigten unserer Kultur weder Anhaltspunkte, noch klare Lösungen. Vieles widersprach sich für mich. Auch das ist ein bekannter Begleiter von mir, das Gefühl Hier-passt-was-nicht-zusammen.

Fand ich Puzzleteile die sich logisch und gefühlstechnisch gut verbinden ließen wuchs die Zuversicht auch weiterzukommen.

Es ist ein mühsamer Weg, sich alleine alles zusammentragen zu müssen. Zeit die verstreicht auszuhalten. Unwissenheit auszuhalten. Schmerzende Wahrheiten auszuhalten. Zu erkennen, dass hier kein Guru kommen wird, der einen die Lösung vor die Füße schmeißen wird. Kein Gott der einen erlösen wird. Kein Ritter der einen retten wird.

Meine ursprüngliche Frage: „Bin ich verrückt oder die Welt?“

Wie kommt ein Mensch dazu sich selbst so eine Frage zu stellen?

Wieso gibt es so viele Menschen, die sich niemals so eine Frage stellen?

Jetzt endlich weiß ich es.

Und ich habe mir oft gewünscht, dass es mir jemand erklärt. 

Es hat damit zu tun, dass man seinen eigenen Wahrnehmungen misstraut.

Das klingt einfach, aber wie es genau entsteht ist viel kniffliger.

Ein Erklärungsversuch:

Kommunikation besteht aus zwei entscheidenen Bestandteilen: Verbale (gesprochene) und nonverbale (Ausdrucksverhalten).

Beginnend mit der Kindheit lernen wir diese Signale zu deuten.

Sind beide übereinstimmend, haben wir ein gutes,beruhigendes Gefühl und können die Botschaft im Regelfall sehr schnell/schneller entschlüsseln.

Missverständnisse entstehen häufig, bei nicht Übereinstimmung. Also bei widersprüchlichen Botschaften.

Aber es geht noch ein bisschen heftiger.

Wachsen Kinder in einer Umgebung auf, wo eine widersprüchliche Kommunikation (paradoxe/Doublebind) sehr häufig vorkommt, sind sie nicht nur häufig irritiert, sondern legen sich eine Überlebensstrategie zu. Sehr häufig beginnen sie sich nur auf einen Aspekt der Botschaft zu konzentrieren, jener, der am vielversprechensten aussieht bzw. am ehesten zu der Entschlüsselung/Einschätzung führt.

So konzentriert sich das eine Kind z.B. besonders auf die ausgesprochenen Wörter. Das andere fokussiert sich auf die Mimik, Gestik und Tonfall. Letztere Kinder nutzen das Sich-in-den-anderen-hineinfühlen als Hilfsmittel, um die Aussagen/Aufforderungen etc. „richtig“ deuten zu können.

Beispiele:

Die Mutter äußert eine Beleidigung mit einem Lächeln.

Der Vater äußert ein Lob mit ausdruckslosem Gesicht.

Beide Situationen sind widersprüchlich und verwirren. Ist die Mutter/der Vater zugewandt oder abweisend?

Noch verherrender ist folgende Situation: Die Mutter lehnt das Kind ab, aber tut so als würde sie es mögen, weil es sonst ja keine gute Mutter wäre.

Den Widerspruch spürt aber das Kind. Es fühlt sich auch abgelehnt, wenn es „Zuneigung“ bekommt.

Viele Kinder reagieren mit Wut auf diese Situation, manche mit Rückzug, je nach Charakter.

Wir wissen, dass menschliche Lebewesen Zuwendung zum Überleben benötigen. Was macht also ein Kind, welches nur „gespielte“ Zuneigung bekommen kann? Reicht das aus?

Auf jeden Fall befindet sich das Kind in einer Pattsituation.

Zusätzlich wird dieses Gefühl und dieses Kommunikationsmuster ins Erwachsenenalter mitgenommen.

Widersprüchliche Aussagen werden zu wiederkehrenden Triggern, die Vergangenes wieder ins „Bewusstsein“ holen. Oft wird dann mit einer inneren Alarmreaktion reagiert. Denn paradoxe Aussagen hatten in der Vergangenheit immer einen ganz anderen Hintergund, der aber nie eindeutig kommuniziert wurde. Was eine riesen Unsicherheit produzierte.

Und was macht der Mensch, wenn er regelmäßig verletzt wird? Er versucht sich zu schützen. Geht das auch nicht mehr, dann tritt fast immer die erlernte Hilflosigkeit ein. Wird man mehrmals hintereinander von einem Taser geschockt und kann sich gleichzeitig dem nicht entziehen, dann verfällt der Körper in eine gewisse Starre.

Das ist die Kombination die Traumata kreiert.

Furchtbare Erlebnisse + darin verharren zu müssen.

Kinder sind extrem abhängig von ihren Bezugspersonen und somit auch praktisch absolut ausgeliefert bei jeglichen Gewaltakten.

Hat das Kind das Glück auf andere wohlgesonneneren Personen auszuweichen, dann kann sich die Hilflosigkeit minimieren oder sogar auflösen. Anstelle von Lähmung kann sich wieder Selbstbestimmung breitmachen. Was mit Abgrenzung und gesunder Aggression einhergeht. 

Es wird öfters erwähnt, dass Kinder die klug sind einen Vorteil haben in solchen Situationen. Dem kann ich nicht vollkommen zustimmen. Denn zu wissen, dass die eigenen Eltern einen nicht lieben/lieben können ist nicht besonders hilfreich. Es verstärkt nur die Pattsituation.

Was soll ich nur tun?

Ich möchte nicht alleine sein, aber die Zuneigung die ich hier bekomme ist falsch. Hier geht es nicht um mich.

Ich habe schon einmal erwähnt, dass Kinder die Schuld als erstes bei sich suchen. Was ist mit mir los, dass mich keiner so lieben kann, wie ich bin? Bin ich falsch? Bemühe ich mich zu wenig? 

Manche Kinder versuchen jegliche Strategie, um irgendwie zu erreichen, dass sie letztendlich doch angenommen werden, geschätzt und geliebt. Aber jede gescheiterte Strategie erhöht das Gefühl nicht genug/richtig zu sein.

Aber was das Kind nicht weiß: es ist richtig!

Es ist richtig, ganz genauso wie es ist.

Mit seiner Verwirrung, mit seiner Wut, mit seiner Ohnmacht.

Dass es nicht geliebt wird, hat mit dem Kind überhaupt gar nichts zu tun. Absolut gar nichts! Wäre es ein anderes Kind, würde es genauso behandelt werden.

Manchmal lösen Kinder in den Eltern alte Verletzungen ihrer Kindheit aus. Sehr häufig bei Müttern, die selbst als Kind abgelehnt wurden. Sie sehen jetzt ihre eigene Tochter und ertragen sie nicht. Ertragen das aufkommende Gefühl nicht, die Erinnerung an die schmerzende Beziehung zu ihrer eigenen Mutter.

Die Tochter wird abgelehnt, einfach weil sie ist. Weil sie vor den Augen der Mutter existiert. Weil sie Zuneigung will, eine sichere Bindung, ein Zuhause.

Das Unvermögen der Mutter hinterlässt aber Spuren, auch bei ihr selbst. Und sie wird sich vielleicht selber hassen für diese Ablehnung. Oder sich eben bemühen Zuneigung/Liebe ihrer Tochter zu zeigen. Solange sie aber nicht weiß was hier geschieht, wird es das reinste Kuddelmuddel sein und weitere Verletzungen produzieren.

Der Mensch ist sehr einfallsreich und zu „unmöglichen“ Dingen fähig. Er ist überaus anpassungsfähig. Aber nicht jede Anpassung ist gut. Sie kann einen auch zur Selbstauflösung bringen. Was bleibt von einem übrig, wenn wir uns überall anpassen, um nicht alleine zu sein? Was passiert mit uns, wenn wir in keine vorgegebene Kategorie passen, in keine vorbereitete Schublade? Was ist, wenn wir den Vorstellungen der anderen nicht entsprechen? Was passiert mit uns, wenn wir keine Vorbilder um uns herum haben, oder Menschen die uns spiegeln? Was passiert dann mit unserem „Ich“?

Und was ist das überhaupt, das „Ich“? Wird es nicht eben durch die anderen definiert? Werden wir nicht ein Mischmasch aus allen Menschen denen wir begegnet sind? Sind wir nicht auch ein Produkt unserer Erfahrungen?

Ja sind wir. Wir übernehmen Einstellungen, Verhaltensweisen und Denkstrukturen von unseren Mitmenschen. Konstruktive und destruktive, also fördernde und zerstörende.

Was dann im Endeffekt raus kommt, hängt dann noch von der Veranlagung ab. Blöderweise werden auch negative Gene weitergegeben. Und sogar Resultate aus Traumata (wie z.B. Chromosomenkappenverkürzungen).

Das klingt jetzt nicht sehr berauschend oder aufbauend.

Einerseits haben wir es hier mit einer schwer zu erkennenden Kommunikationsstruktur zu tun, dann mit einem nicht unterstützendem Umfeld, zusätzlich mit vererbten Dispositionen (unteranderem auch Dispositionen zu psychischen „Krankheiten“) und einer teufelskreisähnlichen Dynamik.

Einer der mühsamsten Dynamiken ist, dass man Gewohntes immer wieder sucht. Vertrautes gibt auch Sicherheit, egal wie verletzend es ist. Zusätzlich hat der Mensch sowas wie einen Drang unerledigte Dinge zu vollenden. Man könnte sagen einen inneren Ordnungsdrang, oder einen tiefen Happy-end-wunsch.

Werden aber ähnliche Strukturen wieder aufgesucht, ist die Chance sehr gering, dass es gut ausgeht. Möglich, aber gering.

Möglich wäre es z.B. nur, wenn alle Beteiligten sich zusammen entwickeln und sich um eine neue, konstruktivere Dynamik bemühen würden. Dass das kein Zuckerschlecken ist erklärt vielleicht den Widerstand dagegen. Wer möchte schon sich selbst in Frage stellen?

Und außerdem, für was ist das gut? Kann man nicht auch so Beziehungen führen? Überall kann man Menschen kennenlernen, Aktivitäten zusammen unternehmen usw. Kann man nicht einfach vergessen was war und neu beginnen? Oder einfach so weitermachen wie bisher?

Man kann, natürlich.

Kann aber auch sein, dass das einem nicht genügt. Dass man innigere Beziehungen führen möchte, die sich voller und lebendiger anfühlen. Beziehungen, die das Potenzial fördern, die unterstützend und ehrlich sind.

Würden wir dann nicht plötzlich mehr Ressourcen haben für andere Dinge? Würden wir uns nicht wohler und zufriedener fühlen? Vielleicht würden dann sogar alte Wunden heilen?

Ich werde mich weiter fragen, ob es da einen Weg raus gibt. Und was es dazu braucht.

Denn ich glaube, dass jeder ein Recht hat für ein gutes Leben. Manche müssen vielleicht mehr darum kämpfen, aber ein Grundrecht hat jeder darauf!

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