Kraftstoff des Lebens

Welchen Weg wir auch für unsere Reise wählen, eines wollen wir nie, uns machtlos fühlen. Das Menschsein bringt mit sich, dass wir uns mächtig und selbstbestimmt fühlen wollen. Hier reden wir nicht von Tatsachen, sondern um das subjektive Gefühl. Es kann also gar nicht der Realität entsprechen, dass wir frei sind, wir müssen uns nur so fühlen, um “glücklich“ zu sein.

Ist es nicht ein unglaublicher starker Antrieb, dieses Machtstreben? Selbstwirksam sein können. Die Welt verändern zu können.

Und doch lassen sich viele Dinge auf der Welt einfach nicht ändern. Lassen sich nicht einfach formen wie weiches Plastilin. Manches wirkt wie harter Marmor. Robust und unangreifbar. Würde man an so einer glatt geschliffenen Marmorwand versuchen hochzuklettern, man würde vergeblichst nach Rissen und Spalten suchen. Es lässt sich nicht erkunden, noch weniger besteigen. Im Endeffekt lässt es sich nicht dominieren, nicht unterordnen. Hier wird man keinen Halt finden und abrutschen wie ein nasser Sack.

Hier muss ich an ein Zitat denken:

„Wenn wir nicht länger in der Lage sind, eine Situation zu ändern, sind wir gefordert, uns selbst zu ändern. (Viktor Emil Frankl)

Diese Aussage trägt eine tiefe Wahrheit in sich: Wir können nicht alles verändern, manchmal sind wir einfach ausgeliefert.

Was es auch verrät, ist dass wir Zuflucht in uns selbst finden können. Wenn die Welt nicht mehr ertragbar ist, können wir in uns eine Welt schaffen die es ist. Eine Welt die zu uns freundlich ist, die wir mitgestalten können.

Dies ist eine befreiende Vorstellung. Sie macht uns wieder mächtig. Sie gibt uns Kraft und Zuversicht. Aber sie ist eine Krücke. Sie ist nicht für ein ganzes Leben bestimmt.

Wir können uns zeitweise in Phantasien flüchten, in Selbstoptimierung, Sex, Drogen, Sport und vieles mehr. Aber sind das nicht alles Substitutionen? Sie wollen stillen, was verwehrt wurde. Es fühlt sich ähnlich an, aber es ist doch ganz unterschiedlich. Es ist ein Betrug, eine Täuschung die wir selbst produziert haben. Selbstschutz. Eigennutz.

Wir haben eine Welt geschaffen, in der man sich nicht mehr seinen Platz mit körperlicher Gewalt holt. Man tut es entweder mit psychischer Gewalt, flüchtet, oder stellt sich tot. Die psychische Gewalt ist sehr subtil und oft verletzender als manch eine körperliche, sie ist aber weit verbreitet. Besonders wegen ihrer schweren Greifbarkeit. Die Flucht in Substitutionen ist das gesellschaftlich am meisten Akzeptierte. Insbesondere wenn es noch mit Leistung kaschiert ist. Und das Totstellen ist das verpönteste Verhalten. Es ist unproduktiv und gefährlich, es könnte ja ansteckend sein, wie ein schwerer Husten.

Wenn ich mir so ein flauschiges Tierchen anschaue, welches sich totstellt, empfinde ich das nicht als sehr gefährlich. Es macht ja nix, liegt nur da und atmet, oder? Oder weckt es meinen Beuteinstinkt, will ich es vielleicht fressen, weil es schwach ist? Oder erinnert es mich vielleicht an meine eigene Schwäche und Verletzbarkeit?

Zurück wieder zum Zitat. Wie weit soll eigentlich dieser Selbstveränderungsversuch gehen? Wenn ich alles an mir ändere, wer bin ich dann? Verliere ich nicht dann auch meine Identität? Wie selbstbestimmt werde ich dann sein, wenn ich in einem haltlosen Zustand der Nichtexistenz schwebe? An der Welt zerbrochen, an mir selbst zerbrochen.

Über was habe ich dann gesiegt, welche Macht habe ich dann erlangt? Mit jedem weiteren Schritt zum Anderssein, habe ich nur mehr verloren. Wie König Pyrrhos sagte: „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“

Nicht jeder augenscheinliche Sieg, ist ein Gewinn! Den Preis den wir oft dafür zahlen, ist kein materieller, es ist ein Seelenpreis. Ein Wert den man nicht messen kann und nicht mit Gold aufwiegen. Ein Wert der aber viel kostbarer ist, denn er ist Ursprung unserer inneren Macht. Unseres Antriebes. Der Kraftstoff des Lebens. 

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