Zitat

Zarathustra die Dritte

Zarathustras Verwandlung geht weiter:

„Ich erkenne mein Los, sagte er endlich mit Trauer. Wohlan! Ich bin bereit. Eben begann meine letzte Einsamkeit.

Ach, diese schwarze traurige See unter mir! Ach, diese schwangere nächtliche Verdrossenheit! Ach, Schicksal und See! Zu euch muss ich nun hinabsteigen!

Vor meinem höchsten Berge stehe ich und vor meiner längsten Wanderung: darum muss ich erst tiefer hinab, als ich jemals stieg:

-tiefer hinab in den Schmerz, als ich jemals stieg, bis hinein in seine schwärzeste Flut! So will es mein Schicksal: Wohlan! Ich bin bereit.

Woher kommen die höchsten Berge?, so fragte ich einst. Da lernte ich, dass sie aus dem Meere kommen.“

 

Zarathrustras Strategie gleicht einer Katharsis, durch das Konfrontieren mit seinem tiefsten Schmerz will er Wandlung, beziehungsweise Reinigung herbeiführen.

Ein Sprung zu Mut:

„Aber es gibt etwas in mir, das ich Mut heiße: das schlug bisher mir jeden Unmut tot. Dieser Mut hieß mich endlich stille stehn und sprechen: >>Zwerg! Du! Oder Ich!<< –  

Mut nämlich ist der beste Totschläger – Mut, welcher angreift: denn in jedem Angriffe ist klingendes Spiel.“

Er will sich nicht mehr vom inneren Zwerg beherrschen lassen, seine beste Waffe gegen ihn, der angreifende Mut.

„Meine Vergangenheit brach ihre Gräber, manch lebendig begrabner Schmerz wachte auf -: ausgeschlafen hatte er sich nur, versteckt in Leichen-Gewänder.

Also rief mir alles in Zeichen zu: >>es ist Zeit!<< Aber ich – hörte nicht: bis endlich mein Abgrund sich rührte und mein Gedanke mich biss.

Ach, abgründlicher Gedanke, der du mein Gedanke bist! Wann finde ich die Stärke, dich graben zu hören und nicht mehr zu zittern?

Bis zur Kehle hinauf klopft mir das Herz, wenn ich dich graben höre! Dein Schweigen noch will mich würgen, du abgründlich Schweigender!

Noch wagte ich niemals, dich hierauf zu rufen: genug schon, dass ich dich mit mir – trug! Noch war ich nicht stark genug zum letzten Löwen-Übermute und -Mutwillen.“

Der tiefe alte Schmerz pocht immer wieder an seiner Türe. Sein ständiger Begleiter drängt sich ihm immer wieder auf, und doch verdonnert er ihn aus Angst immer wieder zum Schweigen. 

Jetzt geht es um Weite, Hoffnung, Vertrauen, Freiheit:

„O Himmel über mir, du Reiner! Tiefer! Du Licht-Abgrund! Dich schauend schaudere ich vor göttlichen Begierden.

In deine Höhe mich zu werfen – das ist meine Tiefe! In deine Reinheit mich zu bergen – das ist meine Unschuld!“

 

„Und all mein Wandern und Bergsteigen: eine Not war´s nur und ein Behelf des Unbeholfenen – fliegen allein will mein ganzer Wille, in dich hinein fliegen!“

Zarathrustra spürt die befreiende Weite des Himmels, die Schwerelosigkeit, die Freiheit. Er möchte sich in diese Höhe werfen, sich von dem Sein tragen lassen. 

Ihm ist bewusst, dass er nicht anders konnte, als einen schweren Weg zu gehen, entstanden aus Unbeholfenheit. Aber sein ganzer Wille will sich frei und unbeschwert fühlen.

Hier etwas über Anpassung, Mittelmäßigkeit:

„Tugend ist ihnen das, was bescheiden und zahm macht: damit machten sie den Wolf zum Hunde und den Menschen selber zu des Menschen bestem Haustiere.

>>Wir setzten unsern Stuhl in die Mitte<< – das sagt mir ihr Schmunzeln – >>und ebenso weit weg von sterbenden Fechtern wie von vergnügten Säuen.<<

Dies aber ist Mittelmäßigkeit: ob es schon Mäßigkeit heißt. -„

Ein wichtiger Punkt, wenn man nur in der Mitte eines Spektrums lebt geht sehr viel Dynamik und Lebendigkeit verloren. Es braucht die Polaritäten genauso, wie den Zwischenbereich.

Über die Stadt:

„Mich ekelt auch dieser großen Stadt und nicht nur dieses Narren. Hier und dort ist nichts zu bessern, nichts zu bösern.

Wehe dieser großen Stadt! – Und ich wollte, ich sähe schon die Feuersäule, in der sie verbrannt wird!

Denn solche Feuersäulen müssen dem großen Mittage vorangehen. Doch dies hat seine Zeit und sein eigenes Schicksal. –

Diese Lehre aber gebe ich dir, du Narr, zum Abschiede: wo man nicht mehr lieben kann, da soll man – vorübergehn! -„

Er sieht die Stadt als verloren, ein Ort wo es keine Liebe mehr gibt.

Ein Sprung zur Heimat:

„Hier aber bist du dir zu Heim und Hause; hier kannst du alles hinausreden und alle Gründe ausschütten, nichts schämt sich hier versteckter, verstockter Gefühle.“

Weiter geht es zum Erkannt werden, Anpassung und Selbstverleugnung:

„Verkleidet saß ich unter ihnen, bereit, mich zu verkennen, dass ich sie ertrüge, und gern mir zuredend >>du Narr, du kennst die Menschen nicht!<<

(…)

Und wenn sie mich verkannten: ich Narr schonte sie darob mehr als mich: gewohnt zur Härte gegen mich und oft noch an mir selber mich rächend für diese Schonung.

(…)

Mich selber verbergen und meinen Reichtum – das lernte ich da unten: denn jeden fand ich noch arm am Geiste. Das war der Lug meines Mitleidens dass ich bei jedem wusste,

-dass ich jedem es ansah und anroch, was ihm Geistes genug und was ihm schon Geistes zu viel war!

Ihr steifen Wesen: ich hieß sie weise, nicht steif – so lernte ich Worte verschlucken. Ihre Totengräber: ich hieß sie Forscher und Prüfer – so lernte ich Worte vertauschen.“

Großartiger und schwer trauriger Punkt. Er beschreibt den Verlauf des Sich-selbst-verleugnens. Ein schleichender Prozess, der damit beginnt, dass man sich versteckt, weil man anders ist. Danach steigt die Scham, Selbstzweifel, bis hin zur ekelhaften Selbstverleugnung.

Hier sieht man auch, das „Ich-sein“ auch bedeutet, dass man seine Gedanken mitteilt. Beginnt man diese zu verbergen, also Worte zu verschlucken, tut man sich selbst nichts Gutes. Man erstickt sich selbst damit.

Ab zur Selbstliebe:

„Schwer heißt ihm Erde und Leben; und so will es der Geist der Schwere! Wer aber leicht werden will und ein Vogel, der muss sich selber lieben – also lehre ich.“

 

„Vielmehr ist von allen Künsten diese die feinste, listigste, letzte und geduldsamste.“

Also bei diesem Thema gibt es ja viele abgedroschene Aussagen, wie: „Liebe dich selbst, dann kannst du erst andere lieben.“ Aber ganz ehrlich das versteht doch kein Schwein, und wenn man den Satz ganz genau betrachtet, ist er irreführend. Denn jede Aufforderung, jeder gute Ratschlag bringt dich schon wieder weg von der Selbstliebe. Das ist aber ein ganz eigenes Kapitel.

Also die Kunst sich selbst zu lieben, ist tatsächlich ne ganz schwierige und ne sehr verwirrende am Anfang. Kurzum: Selbstliebe, ist eigentlich bei sich bleiben und auf die anderen scheißen. Um sich dann so gut in der eigenen Haut zu fühlen, dass man dann wieder Spaß an anderen hat, aber diese sich dann viel bewusster aussucht, weil man sich eben selbst gern hat und auf sich schaut.

>>Das – ist nun mein Weg – wo ist der eure?<<, so antwortete ich denen , welche mich >>nach dem Wege<< fragten. Den Weg nämlich – den gibt es nicht!

Ganz genau darum gehts, jeder muss/darf seinen eigenen Weg finden. Und dieser ist dann auch der „Richtige“.

Ab zur Wahrheitsfindung:

„Das verwegene Wagen, das lange Misstrauen, das grausame Nein, der Überdruss, das Schneiden ins Lebendige – wie selten kommt das zusammen! Aus solchen Samen aber wird – Wahrheit gezeugt!“

Hier werden die wunderbaren Elemente der Wahrheitsfindung aufgezeigt. Man braucht ne ordentliche Portion Verwegenheit und „Grausamkeit“, um sich klar von anderen Dingen abzugrenzen. Und dazu braucht es Schmerz und Überdruss, es muss einem einfach richtig auf die Nerven gehen, so wie es momentan ist. Nur dann wird man sich aufmachen und Neues suchen, Eigenes.

„Erkennen: das ist Lust dem Löwen-willigen! Aber wer müde wurde, der wird selber nur >>gewollt<<, mit dem spielen alle Wellen.“

 

Und wen ihr nicht fliegen lehrt, den lehrt mir – schneller fallen!

Geile Aussage. Der der nicht in den Himmel kann, den schicke also in die Hölle. Der Schmerz wird ihn sozusagen schon mürbe machen und in ihm einen Prozess auslösen.

Hier ein Sprung zum Nein- und Ja-Sagen:

„O meine Seele, ich wusch die kleine Scham und die Winkel-Tugend von dir ab und überredete dich, nackt vor den Augen der Sonne zu stehn. (…)

O meine Seele, ich gab dir das Recht, nein zu sagen wie der Sturm, und ja zu sagen, wie offener Himmel ja sagt: still wie Licht stehst du und gehst du nun durch verneinende Stürme.“

Jetzt kommen wir wieder zu einem sehr wichtigen Punkt. Der Prozess lebt von eigenen Entscheidungen, die man eben nur treffen kann, wenn man sich selbst kennt. Dann werden es echte Ja´s und echte Nein´s. Der rückwirkende Effekt ist der, dass man sein eigenes Ich stärkt. Egal also wo und wann ja und nein gesagt wird, es stärkt, wenn es das eigene, bewusste ist. Und darin muss man sich üben, am Anfang sind es einfach viele harte „Nein´s“. Aus dem entstehen dann viele weiche, freiwillige „Ja´s“.

Über das Leben:

Ich bin es wahrlich müde, immer dein schafichter Schäfer zu sein! Du Hexe, habe ich dir bisher gesungen, nun sollst du mir – schrein! –

Nach dem Takt meiner Peitsche sollst du mir tanzen und schrein! Ich vergaß doch die Peitsche nicht? – Nein!

Eigentlich perfekte Beschreibung für die Mobilisierung der eigenen, gesunden Aggression. Man lässt sich nicht mehr knechten vom Leben, man holt die Peitsche raus und legt mal selbst Hand an.

Über das Selbst-Werden:

„Bis sie, anbeißend an meine spitzen verbogenen Haken, hinauf müssen in meine Höhe, die buntesten Abgrund-Gründlinge zu dem boshaftigsten aller Menschen-Fischfänger.

Der nämlich bin ich von Grund und Anbeginn, ziehend, heranziehend, hinaufziehend, aufziehend, ein Zieher, Züchter und Zuchtmeister, der sich nicht umsonst einstmals zusprach: >>Werde, der du bist!<<„

Der Menschenfänger, eigentlich ziemlich treffend. Seine Aussagen auswerfend, damit sie Köder sind, bis wer anbeißt.

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